Florence + The
Machine beschreiten auch auf Album Nummer drei einen Weg, der kein leichter
ist.
Bezüglich
der Bewältigung von Trennungen und ähnlichen Sinnkrisen mehr hat die Filmgeschichte
bereits Klischeebilder genug gezeichnet, dass man beinahe von einer realen
Vorlage in der echten Welt ausgehen könnte. Die Vorlage sieht übrigens so aus:
Ein Mann geht in eine Bar und ertränkt seinen Kummer im Whiskeyglas. Er wird dann
aber zu Boden gehen, weil sein Hass auf sich selbst auf einen unbeteiligten
Dritten („Schau net so deppert!“) projiziert werden muss und daraus eine Mordsschlägerei
entsteht („Nimm! Das! Du! Aarrgh!“). Das Ritual wiederholt sich über mehrere
Wochen beinahe täglich, zwischendurch geht der Mann duschen, zieht ein frisches
Hemd über und äußert die Vermutung, dass sein aktueller Lebenswandel eventuell doch
nicht ganz so schlau sein könnte. Wir erleben Momente der Reue, Auszeiten im
Hotel Mama („Es gibt Schnitzl!“), Spaziergänge im Nebel und am Ende eine
Großaufnahme zweier Augen, die der Ungewissheit entgegenstarren.
Theatralischer
Pop
Frauen
wiederum ist das Los beschieden, dem zukünftigen Ex-Lover in der Öffentlichkeit
eine Szene zu machen („Du Falott!“) und daheim im Bett gerade fünf Tabletten zu
wenig für ein großes Unglück zu nehmen. Bald darauf: Eiscreme, Friseurtermin,
Yogakurs und die Erkenntnis, dass der Falott sogar ein richtiger Sauhund war.
Die Frau beginnt, helle Kleidung zu tragen und kommt jetzt endlich „ganz bei
sich selbst an.“ Sie lächelt freundlich in die Sonne und wir wissen: Bald gibt
es Nachwuchs. Es war der Yogalehrer, nicht der Gärtner!
Florence
Welch hat als Frontfrau und Mastermind ihrer Band Florence + The Machine auf den
beiden bisher erschienenen Alben „Lungs“
und „Ceremonials“ nicht nur eine temporäre und eine endgültige Trennung
verarbeitet. Sie hat darauf auch anderweitige Probleme ins Zentrum gestellt,
die nicht zuletzt auf den Suizid einer ihrer Großmütter zurückgingen – und
-gehen. Mit einer stark ausgeprägten Vorliebe für theatralischen Pop und einem
geschickten Händchen für große Refrains wurden also auch aus schwierigen Themen
millionenfach verkaufte Charts-Nummereinsen gemacht. Alleine die Auskopplung
von sechs Singles pro Album bewies die kommerziellen Chancen der Band auf dem
Markt. Nicht nur die Hitscheiben mussten sich mitunter zwar den Vorwurf
gefallen lassen, dem eingangs umschriebenen Klischeebild der weiblichen
Hysterie zu entsprechen. Andererseits schien der gebürtigen Britin der
Vorurteilen zufolge männlich bestimmte Hang zur Selbstzerstörung auch nicht
gänzlich fremd zu sein.
Aus Frau wird
Baum
„How
Big, How Blue, How Beautiful“ als nun erscheinender dritter Streich geht zum
einen auf einen persönlichen Zusammenbruch der heute 28-Jährigen zurück. Zum
anderen wird in den neuen Songs weitgehend ein Weg beschritten, der schon
wieder kein leichter ist, und dabei explizit auch die mindestens unkluge
Eigentherapie mittels Alkohol- und Medikamentenabusus verhandelt – ehe am Ende
doch noch die Sonne scheint. Die Frage ist halt nur, ob man den dann zur Schau
gestellten Eso-Schmafu nicht wesentlich unerträglicher findet. Immerhin will
die Frau, nachdem sie sich bei „St Jude“ einem Schutzpatron zuwendet, bei „Mother“ zum Baum werden – sofern sie nicht
gerade das „Third Eye“ besingt und dabei Schlagwörter wie „creation“ fallen.
Dass
auch eine musikalische Metamorphose erkennbar wird, ist nicht zuletzt einem
Wechsel der Arbeitspartner geschuldet. Markus Dravs, 2010 dafür zuständig, auch
Arcade Fire zu mehr Breitenwirksamkeit zu „verhelfen“, und Goldfrapp-Mann Will Gregory
arrangieren allfällige Bläser-Streicher-Interaktionen bevorzugt als zum
Klischee geronnene Aracade-Fire-Bausteine oder Cineplexx-tauglichen
Breitwand-Pomp. Und auch der eine oder andere ins Stadion verweisende
„Oh-ah-oh-ah“-Gesang aus dem Hintergrund wäre besser geschliffen worden. Der im
Kern starke Werkkörper braucht den Firlefanz nicht, was nicht zuletzt bei den vergleichsweise
reduzierten Songs offenkundig wird. Ein Bekenntnis zur großen Geste bestimmt
aber selbst die intimsten Momente dieses nun hörbar von der US-Westküste
inspirierten Albums.
Neue
Hemdsärmeligkeit
Die
unter besonderer Berücksichtigung von Vorbildern wie Fleetwood Mac auch in
Richtung der Countryrock-Bodenständigkeit einer Lucinda Williams gebogene und
dennoch als Popsong hörbare Single „Ship To Wreck“ überrascht in ihrer Hemdsärmeligkeit.
Anderswo gehen kathedralische Hallgesänge mit feisten Stromakkorden für
Festivalareal seltsame Affären ein. An der Staubwüstenbar hat eine Gitarre den Sperrstunden-Blues.
Es gibt Powerballaden mit ebenso plakativen wie eindringlichen Refrains („Queen
Of Peace“), beschwingt sich freispielende mögliche Hitsingles, denen es nicht an
Tiefe fehlt („Delilah“) und reichlich Raum für die in beinahe jedem Moment gewinnende
Stimme von Florence Welch. Über allem liegt das Bemühen, erwachsene Musik für
ein erwachsenes Publikum zu produzieren. Das geht in Ordnung. Den
„Oh-ah-oh-ah!“-Gesang und die Stellung als Baumfrau gilt es für das nächste Mal
aber bitteschön zu überdenken.
Florence + The Machine: How Big, How Blue, How Beautiful (Island/Universal
Music)
(Wiener Zeitung, 5.6.2015)
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