Seit Donnerstag
findet auf der Donauinsel erstmals das Festival Rock in Vienna statt.
Rockfestivals
sind eine erwartbare Sache. Man kann davon ausgehen, dass es neben stinkertem
Fast Food, überteuertem Bier, als Ali-G-Alter-Ego Borat im Stringtanga verkleideten
Freaks und ab spätestens 15 Uhr stockbesoffenen Kindern mit lustigen T-Shirts
auch Musik gibt, die immer die gleiche ist. Dem Nova-Rock-Festival im
burgenländischen Nickelsdorf sei Dank erlebt man im Juni traditionell Konzerte
von Motörhead, Slayer und Metallica (wenn alles gut geht) sowie von den Toten
Hosen, Marilyn Manson und Mötley Crüe (wenn man Pech hat). Auf jeden Fall ist
man drei Tage wach und danach „wach“ im wienerischen Sinn, also ungefähr so paniert
wie ein Schnitzel, das man im Schweizerhaus vor dem Bier-Obstler-Menü als
Magenschutz nimmt.
0,5 Liter Soda:
5 Euro
Das
als Konkurrenz zum seit 2005 am Markt etablierten Nova Rock aus dem Hause Skalar
Music, dem Platzhirschen der heimischen Veranstalterszene, nun erstmals
ausgetragene Rock in Vienna weicht auf seinem Areal nicht vom Üblichen ab. Es
gibt die gleichen Fress- und Erfrischungsbuden wie im Burgenland, wobei Bier
und Soda (!) heuer fünf Euro ohne Becherpfand kosten, und neben dem
Bungee-Jump-Kran auch ein Piercingzelt. Wie man an den Nova-Rock-Headlinern dieser
Saison erkennt – Slipknot (Haha!), Mötley Crüe (Mein Gott!), Die Toten Hosen
(Warum?) –, hat sich das Rock in Vienna mit Metallica, Muse und Kiss auch die
wichtigsten möglichen Bands ausgeborgt. Als Alleinstellungsmerkmal fallen
zunächst also die „wassergespülten Toiletten“ anstelle der Dixi-Klos auf, bevor
die beiden nebeneinander stehenden und abwechselnd statt gleichzeitig
bespielten Bühnen zwar das etwas schmälere Line-up erklären, dafür aber auch zu
exakt keinem Gehweg und nur sehr kurzen Konzertpausen führen.
Ahja,
und natürlich befindet man sich nicht auf einem Acker in der Provinz, sondern auf
der Donauinsel – also beinahe noch inmitten der Wienerstadt! Das bedeutet neben
der bequemen An- und Abreise per U6 und einem einzuhaltenden Zapfenstreich um
23 Uhr auch, dass die Bevölkerung im Social Media drin reagieren muss. Von
Ottakring aus wird eine Baustelle vermutet (heast, das sind Metallica!). Und
auch näher an der Donauinsel regiert nicht nur Dankbarkeit ob der
Gratiskonzerte, die man von zuhause am Balkon bei wesentlich günstigeren
Getränken erleben darf. Vermutlich wird es noch eine Weile dauern, bis der
Veranstalter die bezüglich „I wü schlofn!!“ zum Wutbürgertum neigenden Postings
abgearbeitet, also in den Papierkorb verschoben hat. Gott sei Dank gibt es kein
Twitter für Fische. Gestern noch Wels, heute schon Zitteraal!
Aus der
Muckibude
Musikalisch
ist zu bemerken, dass man am eröffnenden Donnerstag eineinhalb Gründe findet,
zum Rock in Vienna zu fahren. Nach dem Nachmittagsprogramm, das nicht
dazugehört, ist auf der mit Doktor Freud geschmückten „Mind Stage“ auch keineswegs
die Band A Day To Remember gemeint, deren Sänger uns noch die vielleicht
trippledeutige Frage „Vienna, are you fucking with me??“ stellen wird. Nein.
Also ja! Der seine Freizeit offensichtlich zwischen Muckibude und Peckerlzelt
verbringende Sänger der Broilers aus Düsseldorf, denen man aus Versehen den
vorletzten Slot geschenkt hat, spricht nicht nur vergleichsweise schön, was
aber kaum darüber hinwegtäuscht, dass seine Band zwischendurch auch an die
Toten Hosen erinnert. Lieder der Broilers heißen „Ich will hier nicht sein“
(Ja, aber woher wisst ihr das?) und „Ich holʼ dich da raus“ (Danke!).
Zum
Glück gibt es davor noch Faith No More zu erleben, die auch angesichts der
Erscheinung ihres Frontmanns Mike Patton und dessen grimmiger, wenn auch
ironisch gebrochen in Richtung offene Psychose gehender Performance nur leider
nicht bei Doktor Freud, sondern auf der mit Gustav Klimts Adele geschmückten „Soul
Stage“ stehen. Hier wird mit Stücken wie „Motherfucker“ und „Matador“ nicht nur
aus „Sol Invictus“, dem ersten Album der Band seit 18 Jahren gereicht. Im
Rahmen einer von der Wirtschaftskrise mitbegünstigten Comebacktour erlebt man
Patton nach Jahren der Experimental-Spinnerei gemeinsam mit den alten Kollegen
auch wieder im Zeichen eines Rap, Metal und Wahnsinn fusionierenden Rockentwurfs,
der für die 90er Jahre zentral war. Wobei die Bandbreite mit Faith No More
eigens für den Österreichtermin in Krachleder vor einer zwischen
Orgien-Mysterien-Weiß und Blumenbouquet-Überschuss gehaltenen Bühne von
begrunztem Schwurbelfunk bis hin zum Commodores-Cover „Easy“ reicht, das man in
Anspielung auf Metallica mit der Frage ankündigt, ob das Publikum bereit für den
harten Stoff sei. Harr!
Kreiiiiischgitarren
Kreiiiiischgitarren
(Wiener Zeitung, 6./7.6.2015)
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