Neil Young präsentiert
sich mit seinem neuen Album in bester Angriffslaune. Auf „The Monsanto Years“
richtet er seine brüchige Stimme nicht nur gegen Großkonzerne.
Rückblickend
betrachtet war „Who’s Gonna Stand Up?“ im Vorjahr nur eine Aufwärmübung für den
Meister. Während das dazugehörige Album „Storytone“ mit Neil Young zwischen
sedierenden „Traumschiff“-Streichern aus der Schule James Lasts und müdem
Las-Vegas-Jazz irritierte, geriet der Song live im Stadionrockarrangement immerhin
auch zu einer Rückbesinnung in Sachen Umweltschutz und „Nicht mit uns!“. Es
ging um die Gier der Menschheit, fossile Brennstoffe und Fracking, verhandelt
in Hinblick auf die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder, die einmal
ausbaden müssen, was wir nicht mehr erleben werden.
Mit
geballter Faust, grimmiger, alle Falten in Stellung bringender Altmännermiene und
im „Save Earth“-T-Shirt befand sich Neil Young sichtbar in seinem Kernelement.
Das kommende Woche erscheinende neue Album „The Monsanto Years“ geht nun aber nicht
nur einen Schritt weiter. Als Konzeptarbeit zu Themen wie Landwirtschaft und
Hybridsaatgut, Kapitalismus und Konzerninteressen (Lohndumping, Umgehung der Steuerpflicht!), der Macht von Lobbys zum Unwohl des Volks sowie
Verstrickungen zwischen Großkonzernen und der Justiz ist dabei neben einer Neuaufnahme
des Protestsongs auch eine Neigung zum Wutbürgertum auszumachen, die nicht
zuletzt heillos populistische Zeilen wie „Too big to fail, too rich for jail!“ zeitigt.
Das
Coversujet des Albums kontrastiert, kaum weniger plakativ, Neil Young und seine
Lebensgefährtin daheim vor der Farm mit Männern im Schutzanzug und ein
Pestizide über den Acker streuendes Flugzeug. An den Bildrändern werden
Dollarnoten und die US-Verfassung in einen direkten Zusammenhang gestellt. Diesbezüglich
auch nicht schlecht, dass Youngs aktuelle Begleitband den erheblich missionarischen
Namen Promise Of The Real trägt. Dahinter verbergen sich mit Lukas und Micah
Nelson die Söhne der Country- und Kiffer-Legende Willie Nelson und Mitstreiter,
die als dienstjunge Erfüllungsgehilfen nicht zwingend auch frische Luft in die
Aufnahmen bringen. Immerhin dürfte eine Vorgabe gelautet haben, möglichst exakt
wie (oder noch weniger exakt als) Crazy Horse zu spielen. Entsprechend setzt es
trocken-repetitiven, wie beim ersten Take hingerotzten Garagenrock, zu dem
Youngs Gesang stärker neben der Spur denn je liegen darf.
Für
die aktuellen Hauptfeinde wird per Namedropping Schleichwerbung gemacht. Neben
Monsanto, dem mächtigen Hersteller von (gentechnisch manipuliertem) Saatgut und
der Kaffee(haus)kette Starbucks ist auch der Einzelhandelskonzern Walmart zu
nennen, der für sein Lohndumping ebenso bekannt ist wie für seine alte
US-Traditionen bewahrende Anti-Gewerkschafts-Politik. Neil Young widmet Walmart
den Song „Big Box“, in dem die Auswirkungen des Tante-Emma-Läden auslöschenden Großkonzern-
und Shoppingmalltums bis hin zur Verödung der Innenstädte skizziert werden.
Zusätzlich wird es in (ihren zornigen Inhalten zum Trotz) durchaus heiteren
Liedern wie dem fröhlich gepfiffenen „A Rock Star Bucks A Coffee Shop“ oder
„Workinʼ Man“ auch noch um die versuchte Einflussnahme des Kapitals auf die US-Justiz
gehen.
Zu
hübschem Harmoniegesang und dabei hübsch polemisch in seiner Methode verknüpft
„People Want To Hear About Love“ seine Titelzeile mit unangenehmen Wahrheiten wie
der Überfischung der Meere, während von „Rules Of Change“ der fahle
Nachgeschmack eines aus (vermeintlicher) Ohnmacht entstandenen „Volkszorns“
bleibt, wie man ihn von gänzlich anderer Seite her kennt: „Halls of justice,
rules of change. Rolling by in front of me.
Human people feeling strange. Things happening in front of them“.
(Wiener Zeitung, 20./21.6.2015)
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