Samstag, Juni 13, 2015

Eferdinger Kraut

Schall & Rauch

Früher hat es geheißen: Wenn es langsam leer wird im Keller, dann musst du wieder nach Eferding fahren. In Eferding haben die Bauern die dicksten Kartoffeln, die knackigsten Gurken und das beste Kraut, das haben sie in Eferding sowieso schon immer gehabt. In Eferding, da ist der Salat grüner, als der Bürgermeister schwarz ist, da schmecken die Tomaten wie sonst nur die aus Palermo, von den Karotten ganz zu schweigen, ich sage nur: Weltsensation! Einen Sellerie haben sie in Eferding, wie sie ihn in Ottensheim in hundert Jahren nicht hinbekommen, in Ansfelden nicht und in Eberschwang, haha, können sie sich gleich brausen gehen, wenn wer den Sellerie von dort mit dem aus Eferding vergleicht. Das ist ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht, wie zwischen Berg und Tal, wie zwischen dem Russen und dem Ami, haben sie früher gesagt, und jetzt muss man wissen, dass damals noch Kalter Krieg war, der Unterschied also wirklich sehr groß. Damals hat der Russe noch kein Cola getrunken, und wenn, nur heimlich im Keller und wegen der Partei mit einem ganz schlechten Gefühl. Da hat sich der Ami mit dem Vodka vielleicht weniger angestellt, aber in Amerika hast du auch mit 16 den Führerschein und erst nach der Hochzeit Geschlechtsverkehr – was ich sagen will: Doppelmoral!

Nicht dass der Sellerie aus Eferding heute schlechter wäre als seinerzeit und der Salat weniger grün. Wenn heute aber einer „Eferding“ sagt, denkt wer anderer nur vielleicht gar nicht mehr an die Kartoffeln oder das Kraut, das in Eferding schon immer das Beste war. Gerade die Jungen denken jetzt an Tschinnbumm, wenn sie Eferding hören, da kommen die Leyya her, sagen sie, aber die machen gar kein Tschinnbumm, sondern elektronische Musik, die so tramhappert ist, dass dir die Augen schwer werden wie früher dem Opa die seinen, weil in Eferding beim Einkaufen der Bauer immer einen Schnaps ausgeschenkt hat oder zwei. Die Jungen sagen, nach Eferding klingen Leyya zwar nicht, die könnten ihre Musik auch in einem Vorort von L.A. gemacht haben, Regionalität null, aber darum, sagen sie, geht es in der Popmusik ja auch nicht. Wobei Pop. Bei Leyya denkst du genauso wenig an Lady Gaga, wie du bei Eferding an New York denkst oder an Avocados. Da hörst du die Kunsthochschule direkt heraus und die Vorlesungen, aha, sage ich, vielleicht schläft denen deshalb gerade die Sängerin ein.

Im Juni spielen Leyya übrigens in der Berliner Berghain Kantine, sagen die Jungen, wo es zum Essen aber nur Drogen gibt. Dabei würde denen dort das Kraut aus Eferding ganz bestimmt auch nicht schaden!

(Wiener Zeitung, 13./14.6.2015)

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