Mittwoch, Juni 10, 2015

Gespielte Witze auf Augenhöhe

Von Freitag bis Sonntag findet in Nickelsdorf wieder das Nova-Rock-Festival statt.

Dass das Burgenland die Härte sein kann, ist nicht nur angesichts einschlägiger Uhudlerfeste bei der Dorfjugend („Mir isʼ schlecht!“), den Erziehungsberechtigten („Uns auch!“) oder den freundlichen Fachkräften von der Rettung („Einmal Magenauspumpen, bitteschön, sehr gerne, sofort!“) wohlbekannt. Aufgrund der Wahlergebnisse von zuletzt ist auch der Rest des Landes informiert und blickt, so nicht selber blau, mit grimmiger, fünf Watschen, vier Moralpredigten und eine Stunde Im-Eck-Stehen verheißender Thomas-Klestil-Gedächtnismiene in den Osten. 

Zum Thema Härte ist aber natürlich auch noch zu sagen, dass das Burgenland mit dem Nova-Rock-Festival auf den Pannonia Fields im Grenzland zu Ungarn (Feindgebiet! Allerdings inhaltlich bereits sehr nahe an uns gelegen!) auch Österreichs härtestes Festival beherbergt, wenn es ums Halbstarksein geht. Halbstarksein wie Bierkonsum per Schlauch bis zum Knockout, deppert in der Gegend herumstänkern und ins fremde Zweimannzelt Lulumachen gehen. Es gibt Niveau. Aber zwei Fragen bitte: Warum? Weshalb? Und vielleicht noch: Wieso??

Bereits seit 2005 also ist das Nova Rock als ewige Maturareise wie auch in Hinsicht auf sein Musikprogramm – es gibt Wiederholungen! – gut ausdefiniert. Frühbucher kaufen hier keine Katze im Sack. Sie wissen bereits lange vor der Bekanntgabe des Line-ups, dass sie entweder Die Toten Hosen, Kiss, Metallica, Slayer, Motörhead oder Rise Against oder alle zusammen erleben werden. Rocken und Planungssicherheit: Kein Widerspruch!

Mit kleineren Ergänzungen zum altbewährten Konzept dürfte es heuer aber zumindest in einer Hinsicht spannender werden. Immerhin ist mit dem Rock in Vienna gerade ein Konkurrent angetreten, dem Nova Rock als Platzhirschen aus dem Hause Skalar Music gefährlich zu werden. Auf den Mehrkomfort auf der Donauinsel reagiert man in Nickelsdorf nun beispielsweise mit der Errichtung ruhigerer und ökologisch nachhaltiger Campingzonen und der „Ausweitung des kulinarischen Angebots“ nicht zuletzt per Flüssignahrung hin zum Craft Beer. Und ähnlich wie am Rock in Vienna werden die Hauptbühnen diesmal gehwegfreundlich nebeneinander stehen – dass sie am Nova Rock nicht abwechselnd, sondern gleichzeitig bespielt werden, lässt Besucher, die tatsächlich wegen der Musik kommen sollten, allerdings auf ein durchdachtes Soundkonzept hoffen.

Mit dem Engagement von Wolfgang Ambros dürfte das Nova Rock übrigens zum ersten Gegenschlag in Richtung Wienerstadt ausholen. Es stibitzt dem Donauinselfest keck eine mögliche Hauptattraktion! Scooter als weiterer Genre-Fremdkörper und sogenannter „Late-Night-Act“ mit Dienstantritt um 0:30 Uhr wiederum sichern dem Festival die Marktführerschaft in Sachen Maturareise-Gefühl. Es ist davon auszugehen, dass H.P. Baxxter sich aus Animationsgründen für ein Best-of-Set entscheiden wird, anstatt Thomas Bernhard zu lesen.

Als gespielter Witz kommen diesmal die Headliner daher. Neben den bösen Maskenmännern von Slipknot, die in den USA immer dann für Amokläufe verantwortlich gemacht werden, wenn daran gerade kein Videospiel schuld ist, schauen Campino und die Toten Hosen (das Burgtheater war gerade nicht buchbar) sowie im Rahmen ihrer Abschiedstournee auch Mötley Crüe aus L.A. vorbei. Hier wird mit Dauerwelle und Spandexhose erklärt, dass Musik und Outfits einander vollkommen auf Augenhöhe begegnen, wenn diese nur ausreichend tiefergelegt wird. Rock on!     

(Wiener Zeitung, 11.6.2015)

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