Mittwoch, Juni 10, 2015

Musik für die heile Welt

Zum Tod des deutschen Bandleaders James Last, der mit seinem „Happy Sound“ Berühmtheit erlangte

Noch am 23. April dieses Jahres hatte James Last mit seinem Orchester in der Wiener Stadthalle Dienst. Im Alter von 86 Jahren erklärte der Mann mit dem Schnauzbart nicht nur erneut seine Rolle als fleißiger Arbeiter – um das eigene Zutun allerdings auf ein prototypisches Zweifingerdirigat zu beschränken. Er trat dabei einmal mehr auch für seine Überzeugung ein, dass Musik, definiert als Unterhaltungskunst, Leichtigkeit und Frohsinn verbreiten soll. Weil das Leben anstrengend genug ist und an allen Ecken Unheil lauert, dürfen Melodien und Rhythmen auch einmal „nur“ für Zerstreuung sorgen. Und sie dürfen uns dabei sehr gerne etwas zufriedener, zumindest für den Moment glücklicher machen.

Noch lange vor dem Siegeszug einschlägiger Ratgeberliteratur in Sachen Sinnfindung sowie auch noch vor der Überschüttung des Markts mit Medizinmann-mach-mich-wieder-froh-Pillen erfand der 1929 als Hans Last in Bremen geborene spätere Musiker, Arrangeur und Bandleader James Last seinen „Happy Sound“, der ihm internationale Bekanntheit einbrachte und ganzen Generationen aus Omas Küchenradio vertraut war. Nicht zuletzt nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges sollte diese Musik eine Musik für die heile Welt werden. James Last vertraute dafür auf sanft-sedierende Streicher und melodieselige Bläser, die den nötigen „Schwing“ haben wollten und dabei oft recht blechern daherkamen.

Selbst nicht zum Kriegsdienst an die Front eingezogen, begann die musikalische Laufbahn Lasts ab 1943 in den Heeresmusikschulen von Frankfurt am Main und Bückeburg, wo er vor allem an Klavier und Kontrabass nicht nur das nötige Handwerk erlangte, um nach 1945 in den Clubs der US-Truppen Jazz zu spielen. Ein erster, aus Erwerbsgründen angenommener Job als Bassist für Radio Bremen führte als Türöffner in die Unterhaltungswelt bald auch zu Kontakten, die Last Schlagerhits wie „Junge, komm bald wieder“ oder „Die Gitarre und das Meer“ von Freddy Quinn arrangieren ließen. Eine Anstellung beim NWDR-Tanzorchester wurde in den 60er Jahren schließlich geopfert, um eine Karriere in Eigenregie zu riskieren.

„Lalala“-Gesänge

Die bald gefundene Stoßrichtung im besagten „Happy Sound“, der nahtlos in ein auf zahlreichen Alben dokumentiertes „Non Stop Dancing“ überging, mischte internationale Hits der jeweiligen Saison als Feiergrundlage für Deutschlands Samstagabende mit Gläsergeklimper und anderem Partylärm. Zusätzlich gelang dem nunmehrigen Bandleader das Kunststück, eine Kriegsgeneration, die noch die Hits der Beatles skeptisch beäugte bis als „Negermusik“ denunzierte, mit „Lalala“-Gesängen anstatt der gestrichenen Texte für sich zu gewinnen. Allfällige dem Jazz-Freund Last bekannte Phrasierungen wiederum wurden bevorzugt marschlastig-stramm übersetzt.

Als nicht unbedingt übermotivierter Komponist wird Last jedes Mal in Erinnerung gerufen, wenn im Fernsehen „Das Traumschiff“ einläuft. Und auch das grundsätzlich schwierige, 2004 von Quentin Tarantino für „Kill Bill: Vol. 1“ wieder ausgegrabene Panflöten-Instrumental „Der einsame Hirte“ von Gheorghe Zamfir geht auf den Bremer Stadtmusikanten zurück, der ab den 80er Jahren von Florida aus nicht etwa auf eine imposante Karriere mit mehr als 80 Millionen verkauften Tonträgern zurückblicken wollte, um die Bespaßung des Publikums auch live fortzuführen. Zwischen vorsichtig beibehaltenen Annäherungen an die Musik der Leute von heute, nicht hörbaren Modern-Talking-Gitarren, Präludien Johann Sebastian Bachs mit Schlagzeug sowie vor Clipartästhetik und auch optisch sehr glücklichen Bandmitgliedern erlebte man einen Mann in seinem Element.

Am Dienstag ist James Last nun im Beisein seiner Familie in Florida verstorben. Er wurde 86 Jahre alt.       

(Wiener Zeitung, 11.6.2015)

Keine Kommentare: