Die britischen
Bombastrocker Muse und „Drones“, ihr Konzeptalbum über Killerdrohnen.
2012
war ein ausgesprochen schlechtes Jahr für die Apokalypse. Der abschließende,
uns alle tot machende Rumms kam nicht wie erwartet am 21. Dezember über die
Welt. Bereits gedruckte Erinnerungs-T-Shirts („Weltuntergang 2012 – Ich war
dabei“!) wanderten zurück in den Karton. Womöglich brachten Untergangstouristen
beim Gericht Klagen ein, weil der Reiseveranstalter sie mit falschen
Versprechungen zu den Tikal-Tempeln der Maya nach Guatemala gelockt hatte. Stell
dir vor, es ist gar kein Weltuntergang. Aber alle gehen hin! Und sicherlich waren
auch jene verstimmt, die ihrem Bausparer den Sinn zuführten, einen
Atomkatastrophen, Zombie-Invasionen und biblische Flutwellen überstehenden
unterirdischen Bunker zu finanzieren.
Allerdings
haben Apokalyptiker eine erstaunlich positive Lebenseinstellung. Sie lautet:
Beim nächsten Mal klappt es bestimmt! Der Weltuntergang wird niemals abgesagt,
er wird nur verschoben. Und zur Not, wenn wir es nicht mehr erleben, dann erwischt
es einmal unsere Kinder.
Radikal-melismatisch
Auch
Matt Bellamy und seine britischen Bombast- und Operettenrocker von Muse können
es spätestens seit dem Album „Absolution“ von 2003 nicht fassen, dass unser
Heimatplanet noch existiert. In heiterer Endzeitstimmung geht es seit damals
also um genau jene Apokalypse und davor noch Angst und Schrecken verbreitende Horrorszenarien
zwischen Alienterror, Naturkatastrophe und dem Großen Bruder mit seiner
Vorliebe für totale Überwachung, Gehirnwäsche und Unterdrückung. Um die
drastischen, etwa auch noch um Verschwörungstheorien ergänzten Inhalte der Band
nicht weniger drastisch darzustellen, vertraut Bellamy auf ein überzeichnet-hysterisches,
radikal-melismatisches Falsett, mit dem er vielleicht die Welt, bestimmt aber
uns in Grund und Boden singt. Es ist nun einmal so, dass Untergangskunst keinen
Spaß macht, wenn nicht auch das Publikum leiden darf. Musikalisch ziehen Muse
parallel dazu einen Sound auf, der so gewaltig ist, dass bald noch größere
Stadien gebaut werden müssen. Barack Obama, Gott und wer weiß, vielleicht sogar
Chuck Norris ist eifersüchtig, weil das alles so mächtig klingt.
Mit
ihrem soeben erschienenen, mittlerweile siebenten Studioalbum „Drones“ (Warner)
steuern Muse nun in beinahe jeder Hinsicht auf einen neuen Höhepunkt zu, sofern
es jetzt nicht um künstlerisches Gewicht gehen soll. Schließlich wird hier
nichts weniger als eine Konzeptarbeit gereicht, die eventuell auch noch in
Musicalform auf die Bühne kommt und das Thema „Killerdrohnen“ mit Nebenaspekten
wie militärischem Drill, abermals Gehirnwäsche, Unterwerfung, Revolte,
Entmenschlichung und Massenvernichtung umkreist. John F. Kennedy hat einen
Gastauftritt. Und wir hören einen hörspielhaft inszenierten, an alte
US-Kriegsfilme erinnernden Sergeant-Rekrut-Dialog mit nicht ganz freiwillig
saukomischen Zeilen wie „Your ass belongs to me now“ – „AYE SIR!!!“.
Quasi-onanistisches
Gitarrengeschwurbel, hektische Basslauf-Arpeggios und Haudraufwienix-Drums. Dazu
gute alte Chorarrangements aus dem geistigen Fundus der guten alten Vorbilder
Queen. Das Titelstück kommt als mehrstimmiger Choral mit Renaissance-Hintergrund
daher, ansonsten ist es dem nicht zwingend für Subtilität bekannten Produzenten
Robert John Lange aber gelungen, Muse auf die Kernelemente für ein
Stadionkonzert zu reduzieren. Den Dubstep-Hammer und den ganzen sinfonischen
Pomp des Vorgängerwerks „The 2nd Law“ von 2012 sucht man vergeblich. Man kann also
beinahe behaupten, dass „Drones“ auch sein Gutes hat.
Dass
die Handlung auf forsch-militanter Command-Basis noch absurd bis schizophren wird
und standesgemäßen Größenwahn verbreitet, ist stimmig: „There’s no countries
left to fight and conquer. I think I destroyed them all“. Das letzte Wort des
Albums lautet übrigens „Amen“. Mein Gott.
(Wiener Zeitung, 12.6.2015)
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