Freitag, Juni 12, 2015

Rette sich, wer kann!

Die britischen Bombastrocker Muse und „Drones“, ihr Konzeptalbum über Killerdrohnen.

2012 war ein ausgesprochen schlechtes Jahr für die Apokalypse. Der abschließende, uns alle tot machende Rumms kam nicht wie erwartet am 21. Dezember über die Welt. Bereits gedruckte Erinnerungs-T-Shirts („Weltuntergang 2012 – Ich war dabei“!) wanderten zurück in den Karton. Womöglich brachten Untergangstouristen beim Gericht Klagen ein, weil der Reiseveranstalter sie mit falschen Versprechungen zu den Tikal-Tempeln der Maya nach Guatemala gelockt hatte. Stell dir vor, es ist gar kein Weltuntergang. Aber alle gehen hin! Und sicherlich waren auch jene verstimmt, die ihrem Bausparer den Sinn zuführten, einen Atomkatastrophen, Zombie-Invasionen und biblische Flutwellen überstehenden unterirdischen Bunker zu finanzieren.

Allerdings haben Apokalyptiker eine erstaunlich positive Lebenseinstellung. Sie lautet: Beim nächsten Mal klappt es bestimmt! Der Weltuntergang wird niemals abgesagt, er wird nur verschoben. Und zur Not, wenn wir es nicht mehr erleben, dann erwischt es einmal unsere Kinder.

Radikal-melismatisch

Auch Matt Bellamy und seine britischen Bombast- und Operettenrocker von Muse können es spätestens seit dem Album „Absolution“ von 2003 nicht fassen, dass unser Heimatplanet noch existiert. In heiterer Endzeitstimmung geht es seit damals also um genau jene Apokalypse und davor noch Angst und Schrecken verbreitende Horrorszenarien zwischen Alienterror, Naturkatastrophe und dem Großen Bruder mit seiner Vorliebe für totale Überwachung, Gehirnwäsche und Unterdrückung. Um die drastischen, etwa auch noch um Verschwörungstheorien ergänzten Inhalte der Band nicht weniger drastisch darzustellen, vertraut Bellamy auf ein überzeichnet-hysterisches, radikal-melismatisches Falsett, mit dem er vielleicht die Welt, bestimmt aber uns in Grund und Boden singt. Es ist nun einmal so, dass Untergangskunst keinen Spaß macht, wenn nicht auch das Publikum leiden darf. Musikalisch ziehen Muse parallel dazu einen Sound auf, der so gewaltig ist, dass bald noch größere Stadien gebaut werden müssen. Barack Obama, Gott und wer weiß, vielleicht sogar Chuck Norris ist eifersüchtig, weil das alles so mächtig klingt.

Mit ihrem soeben erschienenen, mittlerweile siebenten Studioalbum „Drones“ (Warner) steuern Muse nun in beinahe jeder Hinsicht auf einen neuen Höhepunkt zu, sofern es jetzt nicht um künstlerisches Gewicht gehen soll. Schließlich wird hier nichts weniger als eine Konzeptarbeit gereicht, die eventuell auch noch in Musicalform auf die Bühne kommt und das Thema „Killerdrohnen“ mit Nebenaspekten wie militärischem Drill, abermals Gehirnwäsche, Unterwerfung, Revolte, Entmenschlichung und Massenvernichtung umkreist. John F. Kennedy hat einen Gastauftritt. Und wir hören einen hörspielhaft inszenierten, an alte US-Kriegsfilme erinnernden Sergeant-Rekrut-Dialog mit nicht ganz freiwillig saukomischen Zeilen wie „Your ass belongs to me now“ – „AYE SIR!!!“.

Quasi-onanistisches Gitarrengeschwurbel, hektische Basslauf-Arpeggios und Haudraufwienix-Drums. Dazu gute alte Chorarrangements aus dem geistigen Fundus der guten alten Vorbilder Queen. Das Titelstück kommt als mehrstimmiger Choral mit Renaissance-Hintergrund daher, ansonsten ist es dem nicht zwingend für Subtilität bekannten Produzenten Robert John Lange aber gelungen, Muse auf die Kernelemente für ein Stadionkonzert zu reduzieren. Den Dubstep-Hammer und den ganzen sinfonischen Pomp des Vorgängerwerks „The 2nd Law“ von 2012 sucht man vergeblich. Man kann also beinahe behaupten, dass „Drones“ auch sein Gutes hat.
           
Dass die Handlung auf forsch-militanter Command-Basis noch absurd bis schizophren wird und standesgemäßen Größenwahn verbreitet, ist stimmig: „There’s no countries left to fight and conquer. I think I destroyed them all“. Das letzte Wort des Albums lautet übrigens „Amen“. Mein Gott.          

(Wiener Zeitung, 12.6.2015)  

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