Paul Weller euphorisierte
sein Publikum im Rahmen des Jazz Fest Wien in der Staatsoper
Der
Mann sieht natürlich auch im Alter von 57 Jahren fantastisch aus. Und es gehört
ein wenig zum guten Ton, das auch zu erwähnen. Immerhin wird Paul Weller, heute
fesch mit frisch gewichsten Lederschuhen, Anzughose und sicherlich keine Speckfalte
freilegendem Slim-Fit-Shirt, von Farbmagazinen gerne als bestgekleideter Mann (des
Lumpenrock / von Südengland / der Welt) ausgezeichnet. Live auf der Bühne
erstrahlen darf er aktuell neben einem Hünen am Bass, der eine Schlaghose
trägt, seinem Keyboarder, der aus dem Cast von Austin Powers ausgeborgt wurde,
und zwei Schlagzeugern, die mit pflegeleichten Out-of-bed-Frisuren die
Britpopper von 1991 vor einem Bewerbungsgespräch bei Oasis geben. Den
(fantastischen) Gitarristen mit den dunklen Sonnenbrillen wiederum kennt man
vom letzten Ausflug nach London als den Stammgast im Pub, der nie ein Wort
sagt. Außer beim Bierbestellen.
Beste Spiellaune
Dass
Paul Weller nicht nur bei mit ihm im sechsten Lebensjahrzehnt stehenden „Rolling
Stone“-Lesern beliebt ist und der Hörerschaft als eine Art Säulenheiliger des
Inselrock gilt, ist im Rahmen des Jazz Fest Wien in der Staatsoper bereits dem Begrüßungsapplaus
zu entnehmen. Immerhin hat der gute Mann mit seiner Band The Jam einst
klassischen Sixties-Rock ruppig mit dem Zeitgeist der Punk-Ära kurzgeschlossen,
bevor er mit Mick Talbot von Kevin Rowlands großen Dexys Midnight Runners als
The Style Council von einer enormen stilistischen Bandbreite befeuerten Edelpop
mit slicken Soulnoten reichte.
Heute
im Konzert wird sich Weller aber gewohnt unnostalgisch auf seine Solokarriere
konzentrieren, im Laufe derer er mit zwölf Alben bis herauf zum aktuellen
Meisterwerk „Saturns Pattern“ weder sich selbst noch der Welt etwas beweisen
musste, es aber trotzdem tat. Live setzt es einen stets nachdrücklichen und teils
entfesselten Auftritt, der nur von Wellers sympathischer Maulfaulheit mit
wenigen britisch per „ey?“ (oder so) abgeschlossenen Sätzen und drei, vier Mal
einem „Nkju“ zum Dank kontrastiert wird. So eilig und den Eindruck erheblicher
Übermotivation erweckend Weller eingangs Song an Song reiht, kommt die nach gut
95 Minuten zum Glück widerlegte These auf, die Setlist könnte heute rasch
abgespult sein.
Noch
vergleichsweise mit angezogener Handbremse eröffnet das nicht eigens für die
Staatsoper geschriebene „I’m Where I Should Be“, „Long Time“ zwischen Handclaps
und beigestelltem Brodeln aus dem Moog-Synthesizer ist im Anschluss das erste
Brett des Abends, beim trocken groovenden „From The Floorboards Up“ ist dem
Publikum im Stroboskopgewitter bereits nach Zicke-Zacken zumute. Es darf
zwischen Schwurbelfunk und einer ausufernden Version von „Whirpool’s End“ als Höhepunkt
auch mäandernde Wah-Wah-Passagen geben, bei denen beste Spiellaune regiert.
Tranklerfreuden
Dazwischen
wird mit mächtigen, die Sonnenbrille des Pub-Kollegen jetzt als Blickschutz
gegen feuchte Augen erklärenden Balladen wie „You Do Something To Me“ mit Paul
Weller am Klavier sowie jede Menge Soulfulness verbreitenden Göttersongs wie
„Above The Clouds“ aber auch für Rührung gesorgt. Vor den verdienten Standing
Ovations und nach sehr vielen Gitarrenwechseln gibt es mit „Start!“ dann auch
noch eine Erinnerung an The Jam im kess schwingenden Tanzcafé-Jenseits-Beat.
(Wiener Zeitung, 9.7.2015)
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