Mit „Who Built
The Moon?“ liegt das dritte Album von Noel Gallagher’s High Flying Birds vor.
Gerade
erst Anfang Oktober oblag es seinem Bruder Liam, für etwas Überraschung zu
sorgen. Immerhin sang dieser auf seinem späten Solodebüt „As Your Were“ zu
Sitzkreis-Tamburin und Folk-im-Park-Lagerfeuergitarre nicht nur mit sanftem
esoterischen Einschlag über Yoga und Flügelschläge, anstatt mit dem üblichen „Fuck
off!“ ein paar Detschn an beste Feinde auszuteilen. Auch gehörten die nicht
selten reuevoll angelegten neuen Songs mit zu den besten, die man seit dem Aus von
Oasis im Jahr 2009 aufgrund sogenannter unüberwindbarer Differenzen aus deren
Umfeld zu hören bekam.
Positivere
Weltsicht
Wenigstens
aber blieb dabei künstlerisch-ästhetisch alles so, wie es immer war – also beim
Alten. Man hörte die reichlich bekannten Grundbausteine aus dem Hause
Lennon/McCartney abermals als 90er-Jahre-Remix im Britpop-Stil. Irgendjemand
muss das Zeug schließlich kaufen, und Kundenbindung folgt auch im Rock ’n’ Roll einer gewissen
Marktlogik, die etwas mit dem Unique Selling Point zu tun hat. Psst, der muss
gar nicht so unaustauschbar sein, wenn man eine Sache nur gut genug und mit dem
nötigen Selbstvertrauen macht.
Noel
Gallagher als Chef-Songwriter aller Oasis-Hits und somit auch Autor von
Generationshymnen wie „I Want To Hold Your Hand“ und „Hey Jude“, Pardon, natürlich
von „Some Might Say“ oder „Wonderwall“, hat derzeit also nicht nur das Problem,
sich tatsächlich gegen den einst bei Oasis überwiegend auf die Rolle des Rüpels
am Mikrofon beschränkten Bruder behaupten zu müssen. Gerade auch seine Meriten
als Songschreiber haben eine doch etwas enttäuschte Grundhaltung der Fachpresse
mitbefördert, auf die mit dem selbstbetitelten Debüt von 2011 und „Chasing
Yesterday“ im Jahr 2015 die zwei bisher erschienenen Alben unter dem
Projektnamen Noel Gallagher’s High Flying Birds gestoßen sind.
Vermutlich
kommt mit „Who Built The Moon?“ (Sour Mash) der dritte Streich auch deshalb als
Neuausrichtung daher, im Rahmen derer natürlich trotzdem nichts neu erfunden
wird. Noel Gallagher hat den vor allem aus dem Gebiet der elektronischen Musik
und etwa auch für seine Arbeit an Soundtracks bekannten nordirischen
Produzenten David Holmes engagiert, was wesentlich zu den entsprechend atmosphärischen,
gerne elektronisch abgefederten und im Sound variableren Ergebnissen geführt haben
dürfte. Klassischen Britpop mit großen Pupillen unter der Sonnenbrille gibt es
mit „Black & White Sunshine“ nur an einer Stelle. Dafür geht es alarmistisch
mit Glockengeläut, wuchtig mit sämtlichen Soundgeschützen und
blockerbusterhaft-soundtracktauglich auf eine Weise los, die dem Album inhaltlich
nicht entspricht. Immerhin dürfte zwischen Noel und Liam Gallagher zumindest in
einer gewissen Altersmilde sowie im Fokus auf das Gute und eine positivere
Weltsicht aktuell Einigkeit bestehen.
Mehr Groove
Bereits
die Auftaktsingle „Holy Mountain“ spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache.
Nach einem an „Let’s Stick Together“ in der Version von Bryan Ferry erinnernden
Intro setzt es hübschen und hübsch polternden Glamrock mit modellierter
Soundpatina und einem fröhlichen Blechflötensample aus den 1970er Jahren. Für „Keep On Reaching“ mit seinen joecockernden
Bläsersätzen stand der Soul-, Funk- und Rockcocktail von Sly And The Family
Stone („I Want To Take You Higher“) Pate. Weitere ungewöhnliche Einflüsse laut
Noel Gallagher selbst: die deutschen Krautrockpioniere Can im Falle des mäandernden
„It’s A Beautiful World“ sowie Debbie Harry und ihre Band Blondie im zackig mit
New-Order-Gitarren auffrisierten „She Taught Me How To Fly“ (der Bass pumpt!). Als
Gäste schauen Ober-Mod Paul Weller an der Orgel und für das hymnisch und nach Pferdewagen-Western
aus der weiten amerikanischen Weite klingende „If Love Is The Law“ Ex-The-Smiths-Mann
Johnny Marr an Gitarre und Mundharmonika vorbei. Dem eindeutigen Fokus auf mehr
Groove arbeiten am ehesten zwei in der Dramaturgie unstimmige Instrumentals entgegen.
Teilweise
fühlen sich die Ergebnisse etwas entwurzelt an. Allein schon für das Bemühen um
ein Stück Abwechslung aber erhält „Who Built The Moon?“ derzeit durchwegs gute
Kritiken.
(Wiener Zeitung, 30.11.2017)
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