Mittwoch, November 29, 2017

Ein Stück Abwechslung

Mit „Who Built The Moon?“ liegt das dritte Album von Noel Gallagher’s High Flying Birds vor.

Gerade erst Anfang Oktober oblag es seinem Bruder Liam, für etwas Überraschung zu sorgen. Immerhin sang dieser auf seinem späten Solodebüt „As Your Were“ zu Sitzkreis-Tamburin und Folk-im-Park-Lagerfeuergitarre nicht nur mit sanftem esoterischen Einschlag über Yoga und Flügelschläge, anstatt mit dem üblichen „Fuck off!“ ein paar Detschn an beste Feinde auszuteilen. Auch gehörten die nicht selten reuevoll angelegten neuen Songs mit zu den besten, die man seit dem Aus von Oasis im Jahr 2009 aufgrund sogenannter unüberwindbarer Differenzen aus deren Umfeld zu hören bekam.

Positivere Weltsicht

Wenigstens aber blieb dabei künstlerisch-ästhetisch alles so, wie es immer war – also beim Alten. Man hörte die reichlich bekannten Grundbausteine aus dem Hause Lennon/McCartney abermals als 90er-Jahre-Remix im Britpop-Stil. Irgendjemand muss das Zeug schließlich kaufen, und Kundenbindung folgt auch im Rock ’n’ Roll einer gewissen Marktlogik, die etwas mit dem Unique Selling Point zu tun hat. Psst, der muss gar nicht so unaustauschbar sein, wenn man eine Sache nur gut genug und mit dem nötigen Selbstvertrauen macht.

Noel Gallagher als Chef-Songwriter aller Oasis-Hits und somit auch Autor von Generationshymnen wie „I Want To Hold Your Hand“ und „Hey Jude“, Pardon, natürlich von „Some Might Say“ oder „Wonderwall“, hat derzeit also nicht nur das Problem, sich tatsächlich gegen den einst bei Oasis überwiegend auf die Rolle des Rüpels am Mikrofon beschränkten Bruder behaupten zu müssen. Gerade auch seine Meriten als Songschreiber haben eine doch etwas enttäuschte Grundhaltung der Fachpresse mitbefördert, auf die mit dem selbstbetitelten Debüt von 2011 und „Chasing Yesterday“ im Jahr 2015 die zwei bisher erschienenen Alben unter dem Projektnamen Noel Gallagher’s High Flying Birds gestoßen sind.

Vermutlich kommt mit „Who Built The Moon?“ (Sour Mash) der dritte Streich auch deshalb als Neuausrichtung daher, im Rahmen derer natürlich trotzdem nichts neu erfunden wird. Noel Gallagher hat den vor allem aus dem Gebiet der elektronischen Musik und etwa auch für seine Arbeit an Soundtracks bekannten nordirischen Produzenten David Holmes engagiert, was wesentlich zu den entsprechend atmosphärischen, gerne elektronisch abgefederten und im Sound variableren Ergebnissen geführt haben dürfte. Klassischen Britpop mit großen Pupillen unter der Sonnenbrille gibt es mit „Black & White Sunshine“ nur an einer Stelle. Dafür geht es alarmistisch mit Glockengeläut, wuchtig mit sämtlichen Soundgeschützen und blockerbusterhaft-soundtracktauglich auf eine Weise los, die dem Album inhaltlich nicht entspricht. Immerhin dürfte zwischen Noel und Liam Gallagher zumindest in einer gewissen Altersmilde sowie im Fokus auf das Gute und eine positivere Weltsicht aktuell Einigkeit bestehen.

Mehr Groove

Bereits die Auftaktsingle „Holy Mountain“ spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache. Nach einem an „Let’s Stick Together“ in der Version von Bryan Ferry erinnernden Intro setzt es hübschen und hübsch polternden Glamrock mit modellierter Soundpatina und einem fröhlichen Blechflötensample aus den 1970er Jahren. Für „Keep On Reaching“ mit seinen joecockernden Bläsersätzen stand der Soul-, Funk- und Rockcocktail von Sly And The Family Stone („I Want To Take You Higher“) Pate. Weitere ungewöhnliche Einflüsse laut Noel Gallagher selbst: die deutschen Krautrockpioniere Can im Falle des mäandernden „It’s A Beautiful World“ sowie Debbie Harry und ihre Band Blondie im zackig mit New-Order-Gitarren auffrisierten „She Taught Me How To Fly“ (der Bass pumpt!). Als Gäste schauen Ober-Mod Paul Weller an der Orgel und für das hymnisch und nach Pferdewagen-Western aus der weiten amerikanischen Weite klingende „If Love Is The Law“ Ex-The-Smiths-Mann Johnny Marr an Gitarre und Mundharmonika vorbei. Dem eindeutigen Fokus auf mehr Groove arbeiten am ehesten zwei in der Dramaturgie unstimmige Instrumentals entgegen.

Teilweise fühlen sich die Ergebnisse etwas entwurzelt an. Allein schon für das Bemühen um ein Stück Abwechslung aber erhält „Who Built The Moon?“ derzeit durchwegs gute Kritiken.

(Wiener Zeitung, 30.11.2017)

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