Das Schweizer Pop-Duo
Yello gastierte auf seiner ersten Tour in 38 Jahren Bandgeschichte in Wien.
Für
Schweizer Verhältnisse und das Erbe des Uhrmacherhandwerks ist es natürlich ein
Skandal, dass das Konzert mit dreizehn Minuten Verspätung beginnt, auf die
zu Hause vermutlich ein Jahr Emmentalerprohibition oder zwei Saisonen Badeverbot
im Zürisee stehen. Allerdings sei Yello um Musikmastermind Boris Blank, der hinter
dem Laptop mit seiner eigens nach Wien mitgebrachten Maus wahrscheinlich gerade
im Internet surft, und Dieter Meier, dem ewigen alten Sir mit Stecktusch und
Seidenschal, so viel zünftiges Rockerverhalten auch einmal zugestanden. Seit der
Gründung im Jahr 1979 existiert ihr Projekt Yello bekanntlich im Studio, für professionelle
Live-Auftritte vor Publikum mussten die beiden aber 65 und 72 Jahre alt werden,
um bei Anmoderationen heute etwa hinsichtlich sich selbst als „junge Band“ scherzen
zu können.
Die
von bisher keinen Konzerten beförderte Distanz zum Endverbraucher führt zwar
dazu, dass in der Wiener Stadthalle am Mittwoch nur ein Sechstel der möglichen
Plätze besetzt ist. Yello reagieren darauf aber wohl auch aufgrund des ihnen
schon länger vertrauten Status quos in Finanzangelegenheiten entspannt. Sie
haben ausgesorgt. Nur von Altersgelassenheit sollte man eher nicht reden, Dieter
Meier war ja schon immer so. Und er sieht erstaunlicherweise auch heute noch aus
wie auf den teils schlechter als er selbst gealterten Zuspielern, die als Gruß
einer Zeit vor Tschernobyl über die Videowall flimmern.
Ihre
erste Konzertreise legen Yello ebenso überraschend übrigens nicht als Nostalgieshow
an. Acht der zwanzig Songs auf der Setlist stammen aus dem aktuellen Album
„Toy“, das das Duo mit Nudelsieb auf dem Kopf im Vorjahr einerseits einmal mehr
als verspielte Kindsköpfe präsentierte, die nur aussehen wie
Zigarren-in-der-Hand-Gutsherren im Maßanzug. Andererseits schimmert bei einer
Altersreflexion wie „30.000 Days“ dann doch etwas von der nachdenklichen
Barhockerstimmung durch, die mit „Out Of Chaos“ 2014 auch das Solodebüt Meiers
bestimmte.
Hoher
Wiedererkennungswert
Davor
und danach werden die alten, von Meier zwischen Dada-Sprech, Protorap und
gesampelten Lauten aus der Kehle dargereichten Songs, die live nachdrücklich und
durchwegs lautstark per Gitarre, Percussions und Bläserabordnung um Funk, afrikanische
Volksfeststimmung und Karneval in Rio ausgebaut werden, in restaurierten
Versionen als Klang-Rundumerlebnis präsentiert. Wo Meier stimmlich untergeht und
seinen Standort auf der Bühne als Stehtänzler lediglich auf eine mögliche Millimeterabweichung
hin überprüft, helfen mit Malia und Fifi Rong zwei Gastsängerinnen aus, die mit
dem einst von Shirley Bassey intonierten „The Rhythm Divine“ einen Hauch James
Bond in die Stadthalle bringen oder als Kimono-Geisha umgehen werden.
In
aller Bescheidenheit spielt Meier neben „Bostich“ den auch vom Duffman aus den
Simpsons bekannten Hit „Oh Yeah“ vom historischen Glücks- zum Zufall herunter.
Ebenso wie das als letzte Zugabe auf Dynamik gepolte „The Race“ sind es die
Hauptbeiträge Yellos zur Popgeschichte, deren Wiedererkennungswert als Zukunft
von gestern bis heute gegeben ist.
Etwas
iPhone-Techno via Eigenapp gibt es auch. Zwischen „Wetten, dass ..?“ und ZKM und
mit Gadget-Nerd Blank im von Meier anmoderierten „Taschenstudio“ aus dem Sakko beweisen
Yello – und das ist die gute Nachricht des durchwachsenen, aber charmanten
Abends –, dass Jugend tatsächlich keine Frage des Alters ist. Sie ist eine
Frage der Einstellung.
(Wiener Zeitung, 7.12.2017)
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