Gabi
Delgado-López scheint heute gut motiviert zu sein. Der Sänger der Deutsch
Amerikanischen Freundschaft macht nicht nur sich selbst und Teile des Publikums
schon zu Beginn des Konzerts mit ausgedehnten Mineralwasserduschen klatschnass.
Als Spargeltarzan im bis zum Bauchnabel geöffneten Slim-Fit-Hemd geht er nach
dem programmatischen Auftakt mit „Greif nach den Sternen“ („Die ganze Erde.
Wird wieder beben. Und alle Sterne. Wenn ihr es wollt.“) auch gleich dazu über,
mit „Verschwende deine Jugend“ und „Der Mussolini“ die größten Hits der Band auszuspielen.
Irgendwo im Hintergrund stampft sein Kollege Robert Görl zu vorprogrammierten Synthesizer-Arpeggios
live am Schlagzeug den klassischen, minimalistisch-monotonen, akut tanzbaren und
gerne auch auf barocke Unnotwendigkeiten wie, sagen wir, Melodien verzichtenden
DAF-Sound aus dem Boden. In der Grellen Forelle passiert das alles
passenderweise in toller Clubatmosphäre, sichtbehindert auf einer
tiefergelegten Bühne aber auch bei deutlich reduziertem Schauwert.
Das
ist schade. Immerhin würde sich Delgado-López als ewiger alter Verführer gerade
so sehr bemühen, den Mussolini zu tanzen, der bekanntlich in der Befehlsform vom
einen äußeren Rand – der Bühne – zum anderen führt: „Geh in die Knie. Und
klatsch in die Hände. Beweg deine Hüften. Und tanz den Mussolini. Dreh dich
nach rechts. Und klatsch in die Hände. Und mach den Adolf Hitler. Tanz den
Adolf Hitler.“
Frontalvortragsstimme
Achtung,
das hier wird heute auch eine Geschichtsstunde! Wir schreiben die 1980er Jahre.
DAF liefern mit vier zwischen 1980 und 1982 veröffentlichten und soeben in der
Werkschau „Das ist DAF“ zusammengefassten, international einflussreichen Alben ein
Stück Popgeschichte an der Speerspitze der sogenannten Electronic Body Music. Gerade
aus der politisch korrekten Gegenwart betrachtet interessant, bewegt sich diese
Kunst locker im Spannungsbereich kaum heteronormativer Begehrlichkeiten in
Leder und mitunter auch provokanter Texte. Nicht von ungefähr legen DAF das damals
zu Zeiten der noch für knapp zehn Jahre stehenden Berliner Mauer geschriebene
„Osten währt am längsten“ heute endgültig als Abgesang auf einen Westen ohne
Zukunft an. Sie stellen ihren „bösen neuen Tanz“ aus „Alle gegen alle“ mit
autoritärer Frontalvortragsstimme („Unsere Kleidung ist so schwarz. Unsere
Stiefel sind so schön!“) neben die strenge Kammer von „Muskel“ („Schmerz zu
Schmerz, Sieg zu Sieg, Haut zu Haut“), verlegen Izmir bei „Kebabträume“ in die
deutsche Bundeshauptstadt und moderieren den 2003 an George W. Bush gerichteten
und – wie sagt man im Theater? – heute wieder erschütternd aktuellen
Comeback-Hit „Der Sheriff“ eher blöd als „antiamerikanisches Lied“ an.
Robert
Görl demonstriert dazu am Schlagzeug, wie man eine Vergangenheit als
Jazzstudent erfolgreich verdrängen kann. Gabi Delgado-López hingegen hält
seinen Punkhintergrund nicht zuletzt mit einem Stück wie „Du bist DAF“ auch im
Jahr 2017 noch hoch. „Alle gegen alle“ heißt auch, dass es ein Gegenüber in
Form der anderen braucht, die die Hölle sind. „Du bist DAF. DAF sind Punk. Sie
sind Spießer. Gottverdammte Scheiß-Spießer!“
(Wiener Zeitung, 3.12.2017)
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