Dienstag, Dezember 26, 2017

Mit Suzanne und Marianne in die Ewigkeit

Am 27. Dezember vor 50 Jahren ist das Debütalbum von Leonard Cohen erschienen. Ein Wiederhören.

1967 ist nicht nur das Jahr des Sommers der Liebe. In Griechenland findet ein Militärputsch statt. Zwischen Israel und seinen Nachbarn kommt es zum Sechstagekrieg. Brutale Rassenunruhen erschüttern Detroit. Che Guevara wird erschossen, Kurt Cobain kommt zur Welt. Und Leonard Cohen veröffentlicht sein Debütalbum im bereits für die Musikbranche der damaligen Zeit fortgeschrittenen Alter von 33 Jahren.

Ein Genrewechsel

Die rund 41 Spielminuten von „Songs Of Leonard Cohen“ werden zwischen 19. Mai und 9. November in den Columbia Studios in Manhattan aufgenommen. Leonard Cohens Plan, in Nashville ein Countryalbum einzuspielen, geht also nicht wirklich auf. Stattdessen findet sich der kanadische Autor im Epizentrum der New Yorker Folkszene wieder. Nach literarischen Anfängen mit dem autobiografisch inspirierten Roman „The Favorite Game“ und seinem Amphetamin-induzierten Nachfolger „Beautiful Losers“, nach Lyrikbänden wie „Let Us Compare Mythologies“, „The Spice-Box Of Earth“ oder „Flowers For Hitler“ und bereits einigen Jahren als junger Dichterfürst auf der griechischen Insel Hydra wird der Genrewechsel auch durch die finanzielle Erfolglosigkeit „erleichtert“, die seine Autorentätigkeit – trotz Kritikerlobs – charakterisiert.

Leonard Cohen mietet sich in einem schäbigen Zimmer im Penn Terminal Hotel ein und wechselt über das Henry Hudson ins Chelsea Hotel, in dem es zu jener Begegnung mit Janis Joplin kommt, die erst auf seinem vierten Album dokumentiert wird. Zunächst aber muss der erste Karriereschritt als Musiker gelingen. Leonard Cohen trifft auf die Singer-Songwriterin Judy Collins, die nicht nur einige seiner frühesten Kompositionen singt und erstmals aufnimmt – wie eine Version seines baldigen Signature Songs „Suzanne“, an dem Cohen lange Zeit nichts verdient, weil er versehentlich die Rechte daran abtritt –, sondern ihn auch an John Hammond, den A&R-Zuständigen von Columbia Records, vermittelt. Von ersten Höreindrucken begeistert, entschließt sich dieser, Leonard Cohen unter Vertrag zu nehmen und die Aufnahmesessions für ein Album gleich selbst zu leiten, bevor es im Sommer zu einem Produzentenwechsel kommt und der 26-jährige John Simon die Endergebnisse durchaus nicht im Sinne Cohens deutlich stärker beeinflussen wird.

Feinsinnige Arrangements

Entgegen dem Wunsch des Songwriters, sich auf Stimme und Gitarre allein zu beschränken, setzt Simon auf Arrangements zwischen weiblichem Backgroundgesang, dezenten Streichern, etwas Hallklavier, Maultrommel und Mandoline, die den Charakter der Songs mit großem Feinsinn betonen. Mit „Sisters Of Mercy“ geht es vorsichtig auf den Jahrmarkt, „Master Song“ bietet einen Hauch Westernatmosphäre, und bei „Winter Lady“ haben die Gitarren zumindest zwischendurch auch gerne den Blues. Cohens Zupftechnik spiegelt wider, dass gleich seine ersten Fingerübungen an der Gitarre ihn einst mit dem Flamenco in Berührung brachten, und auch von seiner karrierelangen Vorliebe für den Walzertakt kündet „Songs Of Leonard Cohen“ bereits. Thematisch wird ein inneres Verlangen nach Spiritualität und Sex nun erstmals auch musikalisch zum Ausdruck gebracht.

25 Songs werden in den Sessions eingespielt, zehn davon schaffen es auf das Album. Als Verstärker für eine Generation an Musikliebhabern fungiert im Jahr 1971 die Verwendung von „The Stranger Song“, „Winter Lady“ und „Sisters Of Mercy“ in Robert Altmans Film „McCabe & Mrs. Miller“. „Suzanne“ ist nicht Leonard Cohens (späterer) Partnerschaft mit Suzanne Elrod, der Mutter der gemeinsamen Kinder Adam und Lorca, sondern seiner platonischen Beziehung zu Suzanne Verdal, der Exfrau seines Künstlerfreunds Armand Vaillancourt, geschuldet. Das feierliche „So Long, Marianne“ hingegen, ein bewegender Höhepunkt auch auf den letzten Konzertreisen Cohens zwischen 2008 und 2013, nimmt direkt auf seine Lebensgefährtin Marianne Ihlen Bezug, die als seine Muse gilt und auf Hydra ebenso mit ihm lebt wie in Montreal und New York.

Editieren, verwerfen

So schwierig sich die Aufnahmen gestalten – erst die 20. Einspielung von „Suzanne“ wird diejenige sein, die wir heute kennen –, so zäh und von häufigem Editieren und Verwerfen gekennzeichnet ist auch der Schreibprozess. Nur „Sisters Of Mercy“, der Song, nach dem sich in den 80er Jahren eine britische Gothrockband benennen wird, entsteht in einem Guss, nachdem Cohen zwei Backpackerinnen Obdach gibt und sie beim Schlafen beobachtet.

In Cohens kanadischer Heimat schafft es das am 27. Dezember 1967 veröffentlichte „Songs Of Leonard Cohen“ nicht in die Charts. In den USA strandet es auf Platz 83. In Großbritannien wird eine gute 13 verzeichnet, außerdem hält sich das Album dort über ein Jahr in der Wertung. Als wegweisendes Bildnis des heute als ikonografisch geltenden Werks ziert ein Foto das Cover, das Cohen im Al-Pacino-Look als Mann mit Stil ausweist, der nie wirklich jung, dafür aber stets ein Trostspender mit bescheiden-demütigem Charakter war: Das Sujet entstand kostengünstig in einem Fotoautomaten in der New Yorker U-Bahn.

(Wiener Zeitung, 27.12.2017)

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