Am 27. Dezember
vor 50 Jahren ist das Debütalbum von Leonard Cohen erschienen. Ein Wiederhören.
1967
ist nicht nur das Jahr des Sommers der Liebe. In Griechenland findet ein Militärputsch
statt. Zwischen Israel und seinen Nachbarn kommt es zum Sechstagekrieg. Brutale
Rassenunruhen erschüttern Detroit. Che Guevara wird erschossen, Kurt Cobain
kommt zur Welt. Und Leonard Cohen veröffentlicht sein Debütalbum im bereits für
die Musikbranche der damaligen Zeit fortgeschrittenen Alter von 33 Jahren.
Ein Genrewechsel
Die
rund 41 Spielminuten von „Songs Of Leonard Cohen“ werden zwischen 19. Mai und
9. November in den Columbia Studios in Manhattan aufgenommen. Leonard Cohens
Plan, in Nashville ein Countryalbum einzuspielen, geht also nicht wirklich auf.
Stattdessen findet sich der kanadische Autor im Epizentrum der New Yorker
Folkszene wieder. Nach literarischen Anfängen mit dem autobiografisch
inspirierten Roman „The Favorite Game“ und seinem Amphetamin-induzierten
Nachfolger „Beautiful Losers“, nach Lyrikbänden wie „Let Us Compare
Mythologies“, „The Spice-Box Of Earth“ oder „Flowers For Hitler“ und bereits
einigen Jahren als junger Dichterfürst auf der griechischen Insel Hydra wird
der Genrewechsel auch durch die finanzielle Erfolglosigkeit „erleichtert“, die
seine Autorentätigkeit – trotz Kritikerlobs – charakterisiert.
Leonard
Cohen mietet sich in einem schäbigen Zimmer im Penn Terminal Hotel ein und wechselt
über das Henry Hudson ins Chelsea Hotel, in dem es zu jener Begegnung mit Janis
Joplin kommt, die erst auf seinem vierten Album dokumentiert wird. Zunächst
aber muss der erste Karriereschritt als Musiker gelingen. Leonard Cohen trifft
auf die Singer-Songwriterin Judy Collins, die nicht nur einige seiner frühesten
Kompositionen singt und erstmals aufnimmt – wie eine Version seines baldigen Signature
Songs „Suzanne“, an dem Cohen lange Zeit nichts verdient, weil er versehentlich
die Rechte daran abtritt –, sondern ihn auch an John Hammond, den A&R-Zuständigen
von Columbia Records, vermittelt. Von ersten Höreindrucken begeistert,
entschließt sich dieser, Leonard Cohen unter Vertrag zu nehmen und die Aufnahmesessions
für ein Album gleich selbst zu leiten, bevor es im Sommer zu einem
Produzentenwechsel kommt und der 26-jährige John Simon die Endergebnisse
durchaus nicht im Sinne Cohens deutlich stärker beeinflussen wird.
Feinsinnige
Arrangements
Entgegen
dem Wunsch des Songwriters, sich auf Stimme und Gitarre allein zu beschränken, setzt
Simon auf Arrangements zwischen weiblichem Backgroundgesang, dezenten
Streichern, etwas Hallklavier, Maultrommel und Mandoline, die den Charakter der
Songs mit großem Feinsinn betonen. Mit „Sisters Of Mercy“ geht es vorsichtig auf
den Jahrmarkt, „Master Song“ bietet einen Hauch Westernatmosphäre, und bei
„Winter Lady“ haben die Gitarren zumindest zwischendurch auch gerne den Blues.
Cohens Zupftechnik spiegelt wider, dass gleich seine ersten Fingerübungen an
der Gitarre ihn einst mit dem Flamenco in Berührung brachten, und auch von
seiner karrierelangen Vorliebe für den Walzertakt kündet „Songs Of Leonard
Cohen“ bereits. Thematisch wird ein inneres Verlangen nach Spiritualität und Sex
nun erstmals auch musikalisch zum Ausdruck gebracht.
25
Songs werden in den Sessions eingespielt, zehn davon schaffen es auf das Album.
Als Verstärker für eine Generation an Musikliebhabern fungiert im Jahr 1971 die
Verwendung von „The Stranger Song“, „Winter Lady“ und „Sisters Of Mercy“ in
Robert Altmans Film „McCabe & Mrs. Miller“. „Suzanne“ ist nicht Leonard
Cohens (späterer) Partnerschaft mit Suzanne Elrod, der Mutter der gemeinsamen
Kinder Adam und Lorca, sondern seiner platonischen Beziehung zu Suzanne Verdal,
der Exfrau seines Künstlerfreunds Armand Vaillancourt, geschuldet. Das
feierliche „So Long, Marianne“ hingegen, ein bewegender Höhepunkt auch auf den
letzten Konzertreisen Cohens zwischen 2008 und 2013, nimmt direkt auf seine
Lebensgefährtin Marianne Ihlen Bezug, die als seine Muse gilt und auf Hydra ebenso
mit ihm lebt wie in Montreal und New York.
Editieren,
verwerfen
So
schwierig sich die Aufnahmen gestalten – erst die 20. Einspielung von „Suzanne“
wird diejenige sein, die wir heute kennen –, so zäh und von häufigem Editieren
und Verwerfen gekennzeichnet ist auch der Schreibprozess. Nur „Sisters Of Mercy“,
der Song, nach dem sich in den 80er Jahren eine britische Gothrockband benennen
wird, entsteht in einem Guss, nachdem Cohen zwei Backpackerinnen Obdach gibt
und sie beim Schlafen beobachtet.
In
Cohens kanadischer Heimat schafft es das am 27. Dezember 1967 veröffentlichte
„Songs Of Leonard Cohen“ nicht in die Charts. In den USA strandet es auf Platz
83. In Großbritannien wird eine gute 13 verzeichnet, außerdem hält sich das
Album dort über ein Jahr in der Wertung. Als wegweisendes Bildnis des heute als
ikonografisch geltenden Werks ziert ein Foto das Cover, das Cohen im
Al-Pacino-Look als Mann mit Stil ausweist, der nie wirklich jung, dafür aber
stets ein Trostspender mit bescheiden-demütigem Charakter war: Das Sujet entstand
kostengünstig in einem Fotoautomaten in der New Yorker U-Bahn.
(Wiener Zeitung, 27.12.2017)
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