Das
Erste Wiener Heimorgelorchester präsentiert sein neues Album im TAG.
Sachen
musikalisches Städtemarketing kann die heimische Bundeshauptstadt nicht nur
mit, sagen wir, den Wiener Philharmonikern bis weit ins ferne Asien punkten.
Neujahrskonzert, Radetzky-Marsch, man nennt das eine sichere Bank. Mit dem
Ersten Wiener Gemüseorchester und dem Ersten Wiener Heimorgelorchester ist die
gute alte Wienerstadt gerade auch an der Schnittstelle von Pop-Spinnerei und
Kunst mit Alleinstellungsmerkmal Weltklasse.
Das
Erste Wiener Heimorgelorchester etwa beweist bereits seit dem Jahr 1994, dass
nicht unbedingt Testosteron-Metal, langzoderter Garagenrock mit strengem Geruch
oder etwas Älplerisches mit Lederhose dabei herauskommen muss, wenn
Männerfreundschaften zu einem gemeinsamen Hobby führen. Hallo, es kann auch
einmal etwas mehr als nur latent nerdiger Lo-Fi-Elektropop auf billigen
Gerätschaften aus Häusern namens Casio, Yamaha oder Bontempi sein, der dann
hübsch aus den Boxen eiert.
Darüber
hinaus liegen Songtexte des Ersten Wiener Heimorgelorchesters nicht von
ungefähr auch in Buchform vor. "Widerstand ist Ohm - gesammelte
Lyrik" dokumentierte im Jahr 2015 einen hier stets mit Schalk im Nacken
gepflegten Zugang zur Sprache. Ach ja, die sprachkreative Fingerfertigkeit des
Heimorglers und Millionenshow-Teilnehmers Daniel Wisser (14 von 15 Fragen von
Armin Assinger richtig beantwortet!) plus einmal politische Haltung extra kann
man außer auf CD oder zwischen zwei Deckeln auch auf Facebook oder Twitter
bewundern. Das neue Album demonstriert es bereits mit dem Titel "Die
Letten werden die Esten sein" (OHM Records), der die
buchstabenökonomischen Konsequenzen des Rotstifts auf die Textarbeit
untersucht. Verknappung ist gut, aber.
Höherer
Blödsinn
Das Erste Wiener Heimorgelorchester hat nach Stationen wie den Wiener Festwochen und dem Burgtheater (für das Handke-Stück "Untertagblues") sowie nach dem Sieg beim Protestsongcontest im Jahr 2009 oder einer Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Clemens J. Setz auch eine Kraftwerk-Hommage vorzuweisen. Deren Klassiker "Die Mensch-Maschine" dürfte noch bis heute auf die Band nachwirken, wenn man sich ein Stück wie "Firmenschild" anhört - das den Blick auf einen "Damenschuh" zu einem neuen Erlebnis macht, weil man jetzt weiß, dass das Wort "Mensch" darin vorkommt (in "Pflaumenschnaps" übrigens auch!).
Von
höherem Blödsinn und Tierreimen bis zum "Lechts" und
"Rinks" aus Ernst Jandls gerne zitiertem Lyrik-Hit
"lichtung" im Linz-und-Retz-Remix reicht die Palette dieser schön
zwischen Synthie-Pop mit Eurotrash-Anfall, pluckerndem Heimorgel-Bossa, etwas
weißrussischem Retrofuturismus ("Damals") und einem Hauch von
Comedian Harmonists bei "Hugo" pendelnden Stücke. Womöglich durch
Netze Gefallenen ("Jeder träumt vom ersten Latz . . .") spendet das
Heimorgelorchester in kalten, harten Zeiten wie diesen übrigens dringend
benötigten "Rost". Die Live-Präsentation von "Die Letten werden
die Esten sein" am Mittwoch, 17. Jänner, im Wiener TAG (Beginn: 20 Uhr)
darf als Pflichttermin gelten.
(Wiener Zeitung, 17.1.2018)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen