US-Rapper Eminem
kehrt mit „Revival“ zurück – ein Nämliches aber markiert sein neues Album kaum.
Wenn man ein Revival ankündigt, ist das gemeinhin ein starkes Signal. Gerade im
eigentlich auf die Nachricht fokussierten Hip-Hop-Genre mit dem Rapper als Textdichter
und vor allem Botschafter einer Sache sollte man wissen, dass Signale auch Stimuli
sind. Sie sorgen dafür, dass das Volk die Schweinsohren spitzt, die
Aufmerksamkeit schärft und einmal genauer hinhören will. Nicht umsonst sind
Signalfarben im Regelfall grell, laut, marktschreierisch. Signale befeuern die
Neugier und schüren Erwartungen. Wartezeit ist okay, aber jetzt keine
Enttäuschungen! Der Verkündiger ist am Wort, und er verkündet.
Im Kreatief
Einen
Albumtitel wie „Revival“ (Universal Music) nicht als selbstreferenzielles
Statement zu lesen ist im Hip-Hop also beinahe unmöglich. Gerade auch im
aktuellen Fall und bei Eminem, der als White-Trash-Rapperkönig der Zeit um die
Jahrtausendwende vor allem in den Jugendzimmern weißer männlicher Halbstarker
umging und bei dem man sich im Anschluss immer wieder einmal fragen durfte, was
der eigentlich heute so macht. Allerdings ist auf dem Albumcover und unter dem
Schriftzug, der ein „Revival“ zumindest auf dem Papier vorwegnehmen soll, dann auch
die US-Fahne zu sehen. Diese legt automatisch eine politische Lesart nahe, die
etwas in Richtung „Make America great again“ aussagen beziehungsweise den
ironischen Bruch dieses Trump’schen Wahlkampfslogans markieren könnte.
Das
Album beginnt so, dass Gastsängerin Beyoncé im eröffnenden „Walk On Water“
ergriffen zu etwas Gospelklavier koloraturjodeln darf und Eminem als einstiger
Dicke-Hose-Rapper im Kreatief Wunden ausstellt, anstatt die im Titel behauptete
Wiederbelebung voll Selbstüberzeugung zu präsentieren. Der Verkündiger ist da,
aber er zeigt sich zerknirscht! Es heißt „I walk on water / But I ain’t no
Jesus / I walk on water / But only when it freezes (fuck!)“ – und Eminem bezeichnet
sein eigenes Frühwerk als Fluch, weil es die Latte für das Nachfolgende zu hoch
gelegt hätte. Hallo, so geht das nicht! Im Normalfall wäre es an dieser Stelle
angebracht, sich selbst als geilster Obermacker unter der Sonne zu inszenieren,
der den Fuhrpark der Konkurrenz aus der Portokasse bezahlt und ihre Bitches
gleich mitnimmt. Eminem aber bleibt dem Hader und dem Zweifel treu und stellt
im Perspektivenwechsel von „Believe“ gleich darauf die Frage nach dem Glauben
(an ihn) an die Gemeinde. Etwas später im Verlauf dieses trotz und
wahrscheinlich auch aufgrund seiner überbordenden Spieldauer von mehr als einer
Stunde und siebzehn Minuten nicht und nicht zum Punkt kommenden Albums wird es
in einem Stück namens „River“ noch hin zum Jordan aus dem Matthäusevangelium
gehen – und um Lügen, Leid und das Hinwegwaschen der Sünde durch womöglich die Flut
der letzten Tage.
Pflichtschuldig-patriotisch
Für
etwas öffentliches Wohlwollen hätte Eminem zwar erst Anfang Oktober gesorgt,
als er den US-Präsidenten mit einem Freestyle-Rap im Rahmen einer Award-Show verbal
attackierte und seinen Auftritt mit der Aussage beschloss, dass jemand, der
Donald Trump unterstützt, nicht gleichzeitig auch ein Fan von Eminem sein kann.
Auf „Revival“ ist seine „Kritik“ dann aber doch etwas schal, wenn das lyrische
Ich des die Horrorcore-Nische bedienenden Stücks „Framed“ eines Mordes
bezichtigt wird und plötzlich die Präsidententochter Ivanka Trump in seinem
Kofferraum auftaucht. Oder wenn Eminem Donald Trump in „Like Home“ zerlegt („All
he does is watch Fox News like a parrot and repeats …“), den Song dann aber eh
noch pflichtschuldig-patriotisch in eine Lobeshymne auf Amerika übergehen lässt.
Dazwischen
basht der heute 45-Jährige bei „Chloraseptic“ den Hip-Hop-Nachwuchs (etwas
Besseres kommt nicht nach), biedert sich mit „Untouchable“ der Black-Lives-Matter-Bewegung
an, psychologisiert negative Beziehungsdynamiken („Tragic Endings“, „Need Me“) oder
entschuldigt sich bei seiner sowohl im Werk als auch in Interviews in der
Vergangenheit wiederholt massiv frauenfeindlich vorgeführten Ex-Frau Kim
Mathers. Das persönlich gehaltene Finale des Albums wiederum bleibt Eminems
Beschäftigung mit seiner Tablettenabhängigkeit während der zweiten Hälfte der
Nullerjahre (und ihren Auswirkungen) vorbehalten.
Konsens-Gastacts
Inklusive
Eminem selbst und der gerne als letzte Hoffnung für einschlägige Problembären gezückten
Studio- und Mischpult-Allzweckwaffe Rick Rubin wurden 20 Produzenten für die
Arbeit an „Revival“ verschlissen – mit dem unbefriedigenden Ergebnis, dass man
Eminem nun trotzdem zu reichlich abgestandenen Samples wie „I Love Rock ’n’ Roll“ von Joan Jett
oder – ernsthaft! – „Zombie“ von den Cranberries hört. Vom Kontrast der nicht
selten aggro mit Schaum vor dem Mund daherkommenden Raps zu den weichgespülten
Emo- und Hitradiorefrains mit für Umsatz sorgen sollenden Konsens-Gastacts wie
Pink, Alicia Keys, Kehlani oder Ed Sheeran einmal ganz abgesehen.
Neben
den Songs selbst dürfte auch die Gesamtrechnung nicht aufgehen. Wie man das
sonst so von Revolutionen her kennt, finden offenbar auch angekündigte Revivals
nicht statt.
(Wiener Zeitung, 21.12.2017)
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