Sonntag, Februar 04, 2018

Der Slimfit-Sänger als Naturbursch

US-Popstar Justin Timberlake wandelt sich mit seinem neuen Album partiell zum "Man Of The Woods".

Auf dem Papier lässt der Albumtitel zunächst einmal aufhorchen. Bei "Man Of The Woods" (Sony Music) denkt man, popkulturell vorgewarnt durch das in einer gottverlassenen Holzhütte im tiefen amerikanischen Wald aufgenommene Album "For Emma, Forever Ago" des US-Songwriters Justin Vernon alias Bon Iver, an einen schrulligen Waldschrat, der sich hinter den sieben Bergen gerne auch dem Sammeln von Pilzen oder archaischen Fischereitechniken mit der Hand verschreibt.

Diese sollen nicht bloß irgendwelchen dahergelaufenen Grizzlybären vorbehalten sein, nein, auch wir können das! Vermutlich sind die vor landschaftlich bestimmt malerischer Kulisse bei gleichzeitig aber sehr rauem Alltag entstandenen Songs auf der Wandergitarre eingespielt und kommen mit waidwunden Schmerzensgesängen daher, die nahelegen, dass hier jemand nicht nur nahe am Wasser gebaut ist, weil in diesem das Essen wohnt. Überhaupt wird angesichts dieser Kunst darüber zu sprechen sein, dass es auch den Typus Mann gibt, der zwar Gefühle hat, aber trotzdem geschickt mit dem Schneidbrenner ist.

Familie, Heimat

Eher nicht denkt man bei "Man Of The Woods" an Justin Timberlake, der vor seinem nun also vorliegenden und exakt so betitelten fünften Studioalbum durch den "Mickey Mouse Club" im US-Fernsehen oder als milchgesichtiges Aushängeschild der Boygroup NSYNC bekannt wurde, um als Boyfriend von Britney Spears und slimfitter Solokünstler im Designeranzug vor allem Gebrauchs-R&B für Rooftop-Partys in Designerhotels maßzuschneidern.

Vielleicht wurde der nunmehr frischgebackene 37-Jährige auch ein klein wenig von seiner Arbeit mit den Coen-Brüdern für deren tollen Film "Inside Llewyn Davis" von 2013 über einen erfolglosen Folksänger aus den 60er Jahren inspiriert, jedenfalls: Eine Vorgabe für seinen dann aber eh ohne tatsächliche Leitlinie bleibenden neuesten Streich war es, Einflüsse aus dem musikalischen US-Hinterland zwischen Naturburschen-Folk und Country mit den gewohnten R&B- und Funkelementen zusammenzuschweißen (Gefühle und Handwerk, wir erinnern uns!). Außerdem spricht Justin Timberlake in Interviews derzeit auch über neue alte Werte wie Familie und Heimat als Haupteinflüsse seiner gegenwärtigen Arbeit. Vielleicht besingt sich der Popstar auch deshalb gleich noch als "Mountain Man", unter dem uns in Österreich ein gewisser Andi Gabalier leidlich bekannt sein dürfte.

Andachtsgesang

Abermals hat sich Justin Timberlake für die 16 in knapp 66 Minuten gereichten Songs mit alten Verbündeten wie The Neptunes, Timbaland oder Danja ins Studio begeben und neben frischen Fachkräften mit Produktionskompetenz auch Alicia Keys ("Morning Light") und den daheim bei Truckfahrern mit Nashville-Neigung beliebten Countrysänger Chris Stapleton ("Say Something") als Duett- und Schreibpartner an Bord geholt. Die mit ihrem hübsch wabernden Elektrobass musikalisch etwas experimenteller und inhaltlich in der sexy Kernzone vertraut angelegte Auftaktsingle "Filthy" ist für den Sound des Albums zwar nicht repräsentativ, längerfristig im Gedächtnis bleibende tatsächliche Hooks oder große Popmomente sucht man aber auch im Weiteren eher vergeblich.

Zwischen mit Pedal-Steel, Zupf- oder Lagerfeuergitarren, Orgeln der Marke Südstaaten-Soul oder Andachtsgesang mit glasigen Augen angereichertem oder einfach nur puristisch dargebotenem Dienst-nach-Vorschrift-R&B mit etwas Funk extra, stellt sich beim Hörer bald Langeweile ein. Sollte Justin Timberlake vor dem Hintergrund dieser doch nicht mit dem zum Auftakt angekündigten Swag auffahrenden Stangenware im Gespräch bleiben wollen, ist ihm für seinen Auftritt am Sonntag im Rahmen der Super-Bowl-Halbzeitshow unbedingt eine Art Nipplegate 2.0 zu wünschen.

Es ist erstaunlich, aber: Noch belangloser als die Musik selbst sind die von bemühten Sexmetaphern wie den Zeilen "I love your pink / You love my purple", einem dafür auch herhalten müssenden Wasserhahn oder dem wahrscheinlich an "Cream" von Prince angelehnten Songtitel "Sauce" getragenen Wortelemente des Albums, die uns im Balladenfach auch mit "Das Gras ist am grünsten, wenn wir zusammen sind"-Poesie nicht verschonen.

Trost und Rat

"Flannel" erinnert an Al Borland und den Heimwerkerkönig Tim Taylor, vor dem sich jede Holzhütte fürchtet (holt den Schneidbrenner, Freunde!). Frau und Kind haben Gastauftritte. Dem Nachwuchs ist mit "Young Man" auch der Abschlusssong gewidmet, der Lebensberatungslyrik im Zeichen von Trost und Rat für alle Zukunft bereitstellt.

So richtig zustimmen kann man Justin Timberlake auf diesem Album aber nur einmal. Im erwähnten Song mit Chris Stapleton, dessen Hitradio-Refrain sich dann irgendwie doch noch einprägt, heißt es treffend: "Sometimes, the greatest way to say something is to say nothing at all."

(Wiener Zeitung, 3./4.2.2018)

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