US-Popstar
Justin Timberlake wandelt sich mit seinem neuen Album partiell zum "Man Of
The Woods".
Auf
dem Papier lässt der Albumtitel zunächst einmal aufhorchen. Bei "Man Of
The Woods" (Sony Music) denkt man, popkulturell vorgewarnt durch das in
einer gottverlassenen Holzhütte im tiefen amerikanischen Wald aufgenommene
Album "For Emma, Forever Ago" des US-Songwriters Justin Vernon alias
Bon Iver, an einen schrulligen Waldschrat, der sich hinter den sieben Bergen
gerne auch dem Sammeln von Pilzen oder archaischen Fischereitechniken mit der
Hand verschreibt.
Diese
sollen nicht bloß irgendwelchen dahergelaufenen Grizzlybären vorbehalten sein,
nein, auch wir können das! Vermutlich sind die vor landschaftlich bestimmt
malerischer Kulisse bei gleichzeitig aber sehr rauem Alltag entstandenen Songs
auf der Wandergitarre eingespielt und kommen mit waidwunden Schmerzensgesängen
daher, die nahelegen, dass hier jemand nicht nur nahe am Wasser gebaut ist,
weil in diesem das Essen wohnt. Überhaupt wird angesichts dieser Kunst darüber
zu sprechen sein, dass es auch den Typus Mann gibt, der zwar Gefühle hat, aber
trotzdem geschickt mit dem Schneidbrenner ist.
Familie,
Heimat
Eher
nicht denkt man bei "Man Of The Woods" an Justin Timberlake, der vor
seinem nun also vorliegenden und exakt so betitelten fünften Studioalbum durch
den "Mickey Mouse Club" im US-Fernsehen oder als milchgesichtiges
Aushängeschild der Boygroup NSYNC bekannt wurde, um als Boyfriend von Britney
Spears und slimfitter Solokünstler im Designeranzug vor allem Gebrauchs-R&B
für Rooftop-Partys in Designerhotels maßzuschneidern.
Vielleicht
wurde der nunmehr frischgebackene 37-Jährige auch ein klein wenig von seiner
Arbeit mit den Coen-Brüdern für deren tollen Film "Inside Llewyn
Davis" von 2013 über einen erfolglosen Folksänger aus den 60er Jahren
inspiriert, jedenfalls: Eine Vorgabe für seinen dann aber eh ohne tatsächliche
Leitlinie bleibenden neuesten Streich war es, Einflüsse aus dem musikalischen
US-Hinterland zwischen Naturburschen-Folk und Country mit den gewohnten
R&B- und Funkelementen zusammenzuschweißen (Gefühle und Handwerk, wir
erinnern uns!). Außerdem spricht Justin Timberlake in Interviews derzeit auch
über neue alte Werte wie Familie und Heimat als Haupteinflüsse seiner
gegenwärtigen Arbeit. Vielleicht besingt sich der Popstar auch deshalb gleich
noch als "Mountain Man", unter dem uns in Österreich ein gewisser
Andi Gabalier leidlich bekannt sein dürfte.
Andachtsgesang
Abermals
hat sich Justin Timberlake für die 16 in knapp 66 Minuten gereichten Songs mit
alten Verbündeten wie The Neptunes, Timbaland oder Danja ins Studio begeben und
neben frischen Fachkräften mit Produktionskompetenz auch Alicia Keys
("Morning Light") und den daheim bei Truckfahrern mit
Nashville-Neigung beliebten Countrysänger Chris Stapleton ("Say
Something") als Duett- und Schreibpartner an Bord geholt. Die mit ihrem
hübsch wabernden Elektrobass musikalisch etwas experimenteller und inhaltlich
in der sexy Kernzone vertraut angelegte Auftaktsingle "Filthy" ist
für den Sound des Albums zwar nicht repräsentativ, längerfristig im Gedächtnis
bleibende tatsächliche Hooks oder große Popmomente sucht man aber auch im
Weiteren eher vergeblich.
Zwischen
mit Pedal-Steel, Zupf- oder Lagerfeuergitarren, Orgeln der Marke
Südstaaten-Soul oder Andachtsgesang mit glasigen Augen angereichertem oder
einfach nur puristisch dargebotenem Dienst-nach-Vorschrift-R&B mit etwas
Funk extra, stellt sich beim Hörer bald Langeweile ein. Sollte Justin
Timberlake vor dem Hintergrund dieser doch nicht mit dem zum Auftakt
angekündigten Swag auffahrenden Stangenware im Gespräch bleiben wollen, ist ihm
für seinen Auftritt am Sonntag im Rahmen der Super-Bowl-Halbzeitshow unbedingt
eine Art Nipplegate 2.0 zu wünschen.
Es
ist erstaunlich, aber: Noch belangloser als die Musik selbst sind die von
bemühten Sexmetaphern wie den Zeilen "I love your pink / You love my
purple", einem dafür auch herhalten müssenden Wasserhahn oder dem
wahrscheinlich an "Cream" von Prince angelehnten Songtitel
"Sauce" getragenen Wortelemente des Albums, die uns im Balladenfach
auch mit "Das Gras ist am grünsten, wenn wir zusammen sind"-Poesie nicht
verschonen.
Trost und Rat
"Flannel"
erinnert an Al Borland und den Heimwerkerkönig Tim Taylor, vor dem sich jede
Holzhütte fürchtet (holt den Schneidbrenner, Freunde!). Frau und Kind haben
Gastauftritte. Dem Nachwuchs ist mit "Young Man" auch der Abschlusssong
gewidmet, der Lebensberatungslyrik im Zeichen von Trost und Rat für alle
Zukunft bereitstellt.
So richtig zustimmen kann man Justin Timberlake auf diesem Album aber nur einmal. Im erwähnten Song mit Chris Stapleton, dessen Hitradio-Refrain sich dann irgendwie doch noch einprägt, heißt es treffend: "Sometimes, the greatest way to say something is to say nothing at all."
(Wiener Zeitung, 3./4.2.2018)
So richtig zustimmen kann man Justin Timberlake auf diesem Album aber nur einmal. Im erwähnten Song mit Chris Stapleton, dessen Hitradio-Refrain sich dann irgendwie doch noch einprägt, heißt es treffend: "Sometimes, the greatest way to say something is to say nothing at all."
(Wiener Zeitung, 3./4.2.2018)
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