Als Wissenschaft der Auswirkungen des Lachens sorgt
die Gelotologie nicht nur für die Erkenntnis, dass heitere Menschen
gelassener durchs Leben gehen oder Lachen auch bei Schmerzen oder Stress
hilfreich sein kann. Wir lernen überdies, dass das Anspannen und Lockern der
Gesichtsmuskulatur durch Spaßeinwirkung selbst einen Mehrwert hat. Wahrscheinlich
wird die Work-out-Region zwischen Stirn und Kinn somit leichter und
automatischer bedient als der Bauch-, Hüft- und Pobereich, für dessen
Zustandsbewahrung die eine oder andere Extrarunde im Fitnessstudio nötig ist.
Heute aber lachen wir nicht lauthals oder schallend
in die Welt hinein, nein, wir befinden uns auf der Vorstufe dieser Form der
Glücksbekundung, wir widmen uns gewissermaßen ihrem Diminutiv: lächeln,
lächeln, lächeln. Lächeln, zuvorderst als höfliche Geste, Lächeln als Botschaft
und Lächeln als Signal. Lächeln, weil das grüne Curry so gut war wie der
Papayasalat, lächeln, weil die Massage gerade so herrlich entspannend ist,
lächeln, um ein Lächeln zu erwidern, lächeln, immer auch im Fall eines
Problems. Im Hotel fällt das Wasser aus? Lächerlich! Der Zug ist verspätet, der
Bus fährt nicht ab? Einerlei. Wir haben Zeit. Und wir lächeln.
Die Aufforderung "Bitte lächeln" fällt in
diesem Urlaub vor keinem einzigen Foto. Sie wäre auch wirklich umsonst.
Lächeln, begünstigt vom Sonnenschein, lächeln, weil das Meer sich so schön
bricht, lächeln des Lächelns wegen, ausgedehnt und anhaltend, ja, lächeln, bis
die Rettung kommt - auch ohne medizinischen Anlassfall. Lächeln als Haltung und
aus Prinzip! Kombiniert mit einer Extraportion Höflichkeit, die für sich
genommen einen massiven Kulturschock bedeutet, gerade wenn man aus Wien
anreist, befinden wir uns in Thailand also nicht bloß geografisch, nein, wir
befinden uns hier grundsätzlich und generell in einer ganz anderen Welt.
"Na geh, heast! Gschissn is des! Oasch!!" Zumindest, bis man an der
Bushaltestelle dem ersten Wiener begegnet, der die Nerven verliert, weil ihm
die Wartezeit auf die Weiterreise übertrieben lang vorkommt. Das regt bei uns
aber nur die Gesichtsnerven an. Sie wissen bereits, was wir jetzt tun.
Das WLAN im Hotel fällt aus? Lächeln. Der Taxifahrer
versteht bei "Train Station" nur sprichwörtlich Bahnhof? Hallo, mir
tun langsam die Wangen weh! Wo ist der Gelotologe, der mir erklärt, ob es gegen
Muskelkater durch permanentes Lächeln auch Medikamente gibt?
Das Flughafentaxi daheim: Mäßiger Kulturschock. Sind
wir wirklich daheim? Der Fahrer ist für Wien ungemein höflich. Er lächelt und
hat dafür einen Grund. Er kennt die saftige Rechnung, die er uns präsentieren
wird, ja bereits. Bei der Haustüre sind wir wieder daheim. Na geh, heast! Wir
lächeln . . . nicht!
(Wiener Zeitung, 3./4.2.2018)
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