Donnerstag, Juni 15, 2023

Leben, Tod und Auferstehung

Josh Homme und seine Queens Of The Stone Age und ihr schnörkelloses neues Album „In Times New Roman . . .“.

Gute Stimmung im eigentlichen Sinn kommt gleich eingangs eher keine auf: „I don’t give up, I give in / There ain’t nothing to win / (. . . ) We’re all caught in the middle and useless.“ Und sie wird auch im Anschluss nicht überhandnehmen, bevor Josh Homme eine Dreiviertelstunde später im Finale mit dem Song „Straight Jacket Fitting“ aus Boomersicht das langsame, aber unausweichliche Ende seiner kleinen, heilen, steilen Welt beklagt.

Passenderweise geht im Musikvideo zum Song „Carnavoyeur“ der Gevatter Tod mit der Sense spazieren. Ein Ensemble aus Skeletten setzt dazu einen Schwanengesang choreografisch in Szene. Die bei den Queens Of The Stone Age ohnehin immer allgegenwärtigen Totenschädel laden zum Leichenschmaus. Bald schon fällt der letzte Vorhang. Was danach kommt, weiß der Teufel.

Launige Zombie-Party

Ausgerechnet die als neunter von zehn Songs gereichte Vorabsingle mit dem Titel „Emotion Sickness“ schafft es dann aber, der Endzeitstimmung doch noch ihr Gutes abzutrotzen. Als Ausreißer auf „In Times New Roman . . .“ (Matador), dem am Freitag erscheinenden neuen und mittlerweile achten Album der 1996 gegründeten US-Band, wird aller Missmut dabei unter Zuhilfenahme der guten alten Text-Ton-Schere in einen luftigen Refrain überführt, bei dem die Sonne nicht nur wieder aufgeht, sondern bereits mitten am Himmel steht – obwohl Josh Homme da über ein Baby singt, das ihm abgepascht ist.

Ein erheblicher Teil des auf Themen wie Verlust, Betrug und Tod fokussierten Albums könnte also realbiografisch beeinflusst sein. Immerhin befindet sich der heute 50-Jährige nicht nur inmitten eines unschönen (Sorgerechts-)Streits mit seiner Ex-Frau Brody Dalle. Auch erzählte der seit Komplikationen im Rahmen einer Knie-Operation im Jahr 2010 von gesundheitlichen Problemen geschüttelte Sänger, Gitarrist und Songwriter erst dieser Tage von einer angeblich bereits überstandenen und nicht näher spezifizierten Krebserkrankung im Vorjahr. Neben den Auswirkungen der Pandemie auf dem ersten Album seiner Band seit dem Jahr 2017 in Songs wie der launigen Zombie-Party von „What The Peephole Say“ mit Josh Homme als frisch gebackenem Freund des sich durch das Album ziehenden Wortspiels („I don’t care what the people know / The world is gonna end in a month or so“) dürften Zeilen wie „We live, we die, we fail, we rise“ also ganz konkret auch der eigenen körperlichen Verfasstheit – und dem Tod alter Freunde und Weggefährten wie Mark Lanegan und Taylor Hawkins – geschuldet sein.

Im Negativraum

Nachdem Josh Homme als Keith Richards seiner Generation über lange Zeit auch selbst massiven Raubbau am eigenen Körper betrieben hat, wie nicht zuletzt sein guter alter „Feel Good Hit Of The Summer“ („Nicotine, Valium, Vicodin, Marijuana, Ecstasy and Alcohol – C-c-c-cocaine!“) untermauerte, ist derzeit angeblich aber eine Phase der Läuterung angebrochen. Zumindest eigenen Aussagen zufolge hat sich der Mann zuletzt ein Beispiel an Iggy Pop, mit dem er 2016 auf dem gemeinsamen Album „Post Pop Depression“ kollaborierte, und dessen Überlebensweg in die Substanzlosigkeit genommen.

Davon abgesehen markiert „In Times New Roman . . .“ nach dem bereits erstaunlich nachdenklichen QOTSA-Album „...Like Clockwork“ (2013) mit seinem überraschenden Gastauftritt von Sir Elton John und dem zuletzt von Mark Ronson in Richtung Dancefloor gebrachten „Villains“ (2017) jetzt jedenfalls eine gewisse Rückkehr. Von der Band selbst etwa auch in Rick Rubins Shangri-La-Studios in Malibu produziert, kündet bereits der Dreifachschlag aus „Obscenery“, „Paper Machete“ und „Negative Space“ zu Beginn davon.

Wir hören eine Wiederbesinnung auf den schnörkellosen, direkten und kraftvollen Protosound von seinerzeit, der es allerdings auch mit sich bringt, dass einem zahlreiche der nach wie vor von unwiderstehlichen Stop-and-go-Grooves geprägten Songs doch recht vertraut vorkommen. Gegen das heute fehlende Hitfeuerwerk wiederum und die von Josh Homme mit einem weiteren Wortspiel besungene „Atmosfear“ kann man sich notfalls ja auch mit „Emotion Sickness“ in Dauerschleife helfen. Hier kommt die Sonne! 

(Wiener Zeitung, 16.6.2023) 

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